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Koch-Ausbildung: "Zwei Drittel schwarze Schafe"

Die Ausbildung in der Gastronomie ist seit einigen Wochen besonders in der Diskussion. Neuester Auslöser dafür sind Berichte überregionaler Medien, wie dem Magazin DER SPIEGEL und der Wochenzeitung DIE ZEIT. Die dort geschilderten Fälle sollen zeigen, dass in manchen Küchen nicht nur ein rauer, sondern teilweise ein menschenunwürdiger Ton herrscht. Zudem belegen Zahlen, wie Abbrecherquoten oder die Prüfungsergebnisse vieler Auzubis, dass es um die Qualität der Ausbildung nicht zum Besten stehen kann. Gleichzeitig klagt die Branche seit langem über einen Mangel an Fachkräften.

Über diese Themen konnten wir mit Gerd Astor sprechen, einer Instanz wenn es um das Thema Ausbildung geht: Er ist Küchenmeister und technischer Lehrer der Robert-Schumann-Schule in Baden-Baden und hat beste Kontakte in viele Ausbildungsbetriebe. Außerdem versucht er als Teamleiter der Baden-Badener Küchenkids schon bei zehn bis zwölfjährigen Kindern, das Interesse an der Gastronomie zu wecken. Anfang März hat er wieder die Stadtmeisterschaft des Baden-Badener Kochvereins organisiert. Daran nahmen im Brenners Park Hotel insgesamt 22 Auszubildende aus Küche und Service teil. 

Restaurant-Ranglisten: Wie war dieses Jahr das Niveau des Wettbewerbs?

Gerd Astor: Es war – wie in jedem Jahr – eine tolle Veranstaltung für die Auszubildenden. Manche werden von ihren Betrieben geschickt. Andere nehmen aus eigenem Antrieb teil, weil sie sich messen wollen. Aber das, was bei allen hängen bleibt, ist größte Motivation für den Beruf, natürlich auch totale Begeisterung über die tollen Preise, vor allem aber über die gezielte Vorbereitung auf die Abschlussprüfung der Ausbildung. Das ist für die jungen Leute ein großer Antrieb, Ansporn und Motivation. Ich habe noch nie erlebt, dass es jemand bereut hat, an dem Wettbewerb teilzunehmen, ganz im Gegenteil. Aber bedauerlicherweise gibt es immer weniger solcher Wettbewerbe speziell für Auszubildende. Früher hatte jede größere Stadt so einen Wettbewerb, der dann zur Landes- und zur Bundesmeisterschaft, dem Rudolf-Achenbach-Preis, führte. Aber es wollen immer weniger Leute so viel Zeit in für die Ausbildung stecken.

Viele Hotels und Restaurants werben im Moment stark um Azubis, etwa auf Messen oder auch auf Facebook. Wie kann man überhaupt die richtigen Jugendlichen für eine Ausbildung im Gastgewerbe gewinnen?

Ein erster Schritt, etwas für eine bessere Ausbildungssituation zu tun, ist so ein Projekt, wie die Küchenkids. Ich gehe auch auf Ausbildungsmessen und repräsentiere den Beruf. Trotz alledem wird es von Jahr zu Jahr schwieriger. Viele Jugendliche wolle bequeme Ausbildungsplätze. Problematisch sind natürlich die Themen Arbeitszeit und die Ausbildungsvergütung. Ich sitze mit vielen Kollegen in Fachausschüssen und diskutiere, was wir richtig und was wir falsch machen. Wir können ja nicht lügen und sagen, es gibt tolle Arbeitszeiten, wenn wir in Wirklichkeit vom Thema Teildienste nicht weg kommen. Natürlich haben wir eine Arbeitszeitregelung in Deutschland, aber Sie können ja ihre Leute nicht um 21.30 Uhr nach Hause schicken, wenn erst der dritte Gang serviert ist und noch drei kommen sollen. Auch die Wochenendarbeit ist ein ganz wichtiges Thema. Genauso die Vergütung: Ein Bankkaufmann mit mittlerer Reife hat im ersten Ausbildungsjahr mehr als 1.000 Euro zur Verfügung. Ein Auszubildender in der Küche kann froh sein, wenn er seine 500 Euro hat und dann werden ihm noch Kost und möglicherweise Logis abgezogen. Dann hat er noch 150 Euro. Wenn ihn da die Eltern nicht unterstützen, dann geht das gar nicht. Aber wir kommen davon momentan nicht weg. Sagen Sie mal einem Gastronom, er soll seinem Auszubildenden 1.000 Euro im Monat im ersten Lehrjahr bezahlen und um 20 Uhr nach Hause schicken. Das ist gar nicht durchführbar.

"Wir können ja nicht lügen und sagen es gibt tolle Arbeitszeiten"

Trotz dieser Schwierigkeiten, wie kann man die Jugendliche, die das in Kauf nehmen motivieren?

Wenn ein Auszubildender motiviert wird, weil er etwa eine Meisterschaft gewonnen hat, eine gute Prüfung macht und vielleicht in seinen Wunschbetrieb kommt, dann entwickelt sich das von alleine. Dann gucken die irgendwann nicht mehr auf die Uhr und haben sehr viel Antrieb. Aber der Weg dahin ist so steinig und schwer, dass viele ihn gar nicht mehr einschlagen und abbrechen.

Die Berichte in SPIEGEL und ZEIT werfen ein grelles Schlaglicht auf die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie. Aber neben krassen Beispielen sind da auch harte Fakten zu lesen, wie die hohe Abbrecherquote und die hohe Zahl an Azubis, die mit Ach und Krach die Prüfungen schaffen. Wie nehmen Sie diese Probleme wahr?

 

Wenn die jungen Leute zum ersten Berufsschulblock zu mir kommen, gleich zu Beginn der Ausbildung, frage ich immer, was ihre Motivation ist und wie es ihnen im Betrieb gefällt. Das höre ich in der Regel, dass alles passt und die Berufswahl richtig war. Ich gebe ihnen dann schon die ersten Tipps für das Weihnachtsgeschäft, das dann unmittelbar bevorsteht. Ich sage Ihnen immer, dass das ein Highlight in der Gastronomie ist, mit viel Anstrengung, viel Geschäft und auch viel Verantwortung für sie in der Küche. Aber dann, Anfang des neuen Jahres, wenn es ruhiger wird, fangen viele Chefs an, nach den kleinsten Fehlern zu suchen. Die sind dann meist ein bisschen angespannter, gereizter, weil sie unter Druck stehen, durch die Budgetierung, ob sie auch wieder die Umsätze erreichen, die sie schaffen sollen. Außerdem rate ich immer, dass sie darauf achten sollen, die frühzeitig Ausbildungsplätze zu wechseln. Sie sollen also nicht ein Jahr in der kalten Küche verharren und nur Salate putzen oder nur im Frühdienst tätig sein. Da müssen die Jugendlichen auch selbst die Initiative ergreifen und sagen, 'Chef, ich würde jetzt auch gerne am Herd mitkochen und in der Küche präsent sein'.

Eigeninitiative ist  sicher wichtig. Aber was ist, wenn das nicht reicht, um eine gute Ausbildungssituation zu erreichen?

Ich unterhalte mich auch ganz intensiv mit den Ausbildern und weise sie auf ihre Ausbildungsverpflichtung hin. Wenn ich merke, in dem ein oder anderen Betrieb läuft es nicht so rund, dann spreche die Kollegen auch konkret an und sage: 'Das könnt ihr in der heutigen Zeit nicht tun' und es ändert sich auch langsam was. Ich habe da schon einen großen Einfluss auf die Ausbilder. Wir können hier regional schon was tun. Aber ich kriege auch überregional sehr viel mit und da wird so viel falsch gemacht. Auch bei uns. Den Folgen sehe ich mit Schrecken entgegen. Irgendwann werden wir nur noch angelernte Köche aus Asien haben, aber den richtigen ausgebildeten Koch findet man dann nicht mehr.

 

"Beim fachlichen, da geht das so husch, husch, husch"

Was sind die gröbsten Fehler hierzulande?

Dass ein Ausbilder der Ausbildungsverpflichtung nicht nachkommt und den Auszubildenden als klassische Arbeitskraft nutzt. Vergleichen Sie das mal einen Auszubildenden, der drei Jahre als Mechatroniker bei Mercedes-Benz lernt. Der ist die ganze Zeit in einer Ausbildungswerkstatt und noch nicht direkt an den Maschinen, die die Autos für die Kunden bauen. Aber unsere Auszubildenden, die werden sofort konfrontiert mit dem Gast und müssen unter Druck bestehen. Dann wird auch noch oft gesagt, 'Du kannst Dir die Ausbildungsinhalte selber aneignen, kauf Dir ein Buch oder schau im Internet'. Beim fachlichen, da geht das so husch, husch, husch, weil für alle der Arbeitsdruck zu hoch ist. Die Auszubildenden kriegen zu früh Verantwortung. Aber sicher haben sich auch die Jugendlichen verändert. Sie sind freier, offener und besser informiert. Das macht die Situation viel schwerer.

In vielen Reaktionen auf die schon angesprochenen Berichte gewinne ich nicht den Eindruck, dass von Verantwortlichen in Verbänden und Betrieben Verantwortung für die Probleme übernommen wird. Ärgert Sie das?

Ich sage ganz ehrlich: ich könnte Namen von bedeutenden Betrieben nennen, die schlichtweg lügen. Ich kenne eine ganz andere Situation, wie mit dem Thema umgegangen wird. Die Küchenchefs sagen 'Das war schon immer so'. Man muss sehen: viele sind sehr jung und haben früh Verantwortung für ihre Küche, sind aber in keinster Weise psychologisch, methodisch oder didaktisch geschult. Sie haben Verantwortung für ein Hotel mit 300 oder 400 Betten, müssen auf den Einkauf und die Zahlen gucken, den Dienstplan schreiben und ein abwechslungsreiches à-la-Carte-Angebot zusammenstellen. Da bleibt alles andere auf der Strecke. Zeit zum korrekten Ausbilden bleibt da keine mehr. Immer weniger Küchenchefs sind Küchenmeister. Das ist ein ganz wichtiges Thema. Wer eine Meisterprüfung macht, ist in der Frage der Menschenführung hervorragend ausgebildet. Aber Ich will das nicht verallgemeinern, denn es gibt Betriebe, vor denen ich den Hut ziehe, weil sie eine Ausbildung vom Feinsten, wie sie im Buche steht, leisten. Deren Ergebnisse geben denen auch Recht. Aber es gibt derzeit zwei Drittel schwarze Schafe, die unseren Berufsstand kaputt machen. Das ist so und da stehe ich zu.

Was ist dann Ihr Tipp für junge Leute, einen Ausbildungsplatz bei einem der weißen Schafe zu bekommen?

Man sollte auf den Leumund eines Betriebs in der Region achten. Wenn man selber dort mal Essen geht und für einen Betrieb Sympathie entwickelt, ist das schon mal ein Zeichen. Und dann sollte man Fachleute befragen, ob sie einen Tipp geben können. Es muss nicht unbedingt ein Haus mit Weltruf oder ein Grandhotel sein. Eine gute Ausbildungsschmiede kann auch ein kleiner Betrieb sein, in dem der Chef jeden Tag mit am Herd steht und wirklich ausbildet. Aber es ist wirklich wichtig, sich vor der Ausbildung gut über den Betrieb zu informieren. Man sollte nicht nur ein, zwei Bewerbungen schreiben und wenn es eine Zusage gibt, die Stelle nehmen. Die Jugendlichen sollten vergleichen und sich informieren, wie es in verschiedenen Betrieben läuft.

Vielen Dank für das Interview.

Restaurantfachleute:

  • 1. Christiane Weis, Medici Baden-Baden
  • 2. Daniel Knochenhauer, Brenners Park-Hotel & Spa
  • 3. Franziska Olshausen, Dorint Maison Messmer
  • 4. Stefan Grünbacher, Hotel Restaurant Jägersteig Bühl/Kappelwindeck
  • Selina Kistner, Hotel Heiligenstein Neuweier
  • Daniel Wild, Rebenhof Neuweier
  • Vanessa Schleh, Kurhaus Baden-Baden

Köche/Köchinnen:

  • 1. Matteo Dal Borgo, Kurhaus Baden-Baden
  • 2. Björn Loeken, Schloss Eberstein
  • 3. Raphaela Metz, Brenners Park-Hotel & Spa
  • 4. Nikolay Gubenko, Brenners Park-Hotel & Spa
  • Benedikt Rapp, Brenners Park-Hotel & Spa
  • Larisa Vratsidi, Hotel Restaurant Traube Neuweier
  • Felix Wanner, Max Grundig Klinik

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