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Restaurant des Monats Oktober 2018

arrow left Schwarzreiter, Vier Jahreszeiten, München, Deutschland arrow right

 
Hotel: Vier Jahreszeiten
Adresse: Maximilianstr. 17, 80539 München
Küche: Saisonal & Regional

Tradition und Moderne gehen eine wunderbare Allianz ein. Das Fries im Restaurant aus der Nymphenburger Porzellan Manufaktur stellt Genreszenen aus dem bäuerlichen Alltag dar. Gar nicht Alltag ist das, was uns erwartet...

Ein Abend, der mit Taittinger Comptes de Champagner beginnt, muss ein guter werden.

Im Schwarzreiter, dem Restaurant des 5 Sterne Hotels Vier Jahreszeiten. 1858 von Maximilian II., dem Vater des Märchenkönigs Ludwig II. erbaut. In die Straße hinein, die Münchens prächtigste Seite zeigt.

Tradition und Moderne gehen eine wunderbare Allianz ein. Das Restaurant Schwarzreiter (der Name bezieht sich auf die kleinen geräucherten Saiblinge vom Königssee, angeblich Lieblingsgericht von Ludwig II.), elegant, warmes Licht, die Tische ohne Decke, unaufdringlich, stilvoll ein Fries aus der Nymphenburger Porzellan Manufaktur stellt Genreszenen aus dem bäuerlichen Alltag dar. Gar nicht Alltag ist das, was uns erwartet, ein Überraschungsmenü der frisch gekürten Küchenchefin Maike Menzel, 29 Jahre. Eine Bayerin, eine Frau, die immer nur kochen wollte, die, ihrer Jugend geschuldet, die junge bavarische Küche selbstbewusst und authentisch vertritt, modern interpretiert. Erstaunlich sind ihre beruflichen Stationen, weil sie sie -  in der Heimat absolviert hat. Zuletzt im Pageou. Zurückhaltend und zielstrebig lebt sie den Tag mit seinen Anforderungen, Schritt für Schritt. Sie möchte mit ihrem ambitionierten Team den Michelinstern verteidigen, den Anton Pozeg, unter dem sie Sous-Chef war, 2017 geholt hat. In dieser heißen Phase bis zur Vergabe -erst im Februar 2019 -  dürfen wir dort dinieren.

Für die Schreiberin besonders reizvoll, endlich einer Frau in den Kochtopf zu schauen. Innerhalb der meisterlichen Männerdominanz eine Rarität. Wir lassen uns überraschen. Der charmant- entspannte Service beginnt mit dem amuse. Die Magentratzerl, die schon Alfred Walterspiel, der legendäre Koch des Vier Jahreszeiten, zur Visitenkarte des Kochs erklärt hat, bestehen aus Fingerfood: Entenleber, Kaninchenragout, würziger Schimmelkäse, in kleinen Teighäppchen arrangiert auf einem irdenen Teller. Danach unser erstes Wow: Ein Bäckchen vom Schwein im eigenen Saft gegart, zart, wunderbar geschmackig, begleitet von Karotte, Artischockenherz und Kerbelpüree. Dezent ordnen sie sich dem für uns seltenen Star unter. Der Grauburgunder von K.H. Schneider, säurearm, mineralisch, führt zum nächsten Gang. Überhaupt die Weinbegleitung, die uns Andrej Grunert zueignet, taugt uns. Nie weinschwurbelig kommentiert. Aber immer passend und so begeisternd empfohlen, dass wir nicht glauben können, dass der österreichische  Assistent sie in seinem blutjungen Leben schon alle probiert haben kann. Ob Silvaner von Max Müller, Chablis von Billaud, über Cabernet Sauvignon von Teperberg/Israel, der dem Rotwein liebenden Freund besonders gefällt, bis zum letzten Tropfen des Süßweins Petit Manseng. Der nächste Teller, groß, verblüfft durch seine minimalistische, ja, trotzdem Reichhaltigkeit. Eine Variation bunter Bete, gerolltem malzigem Kalbszünglein, Quinoa, körnig, knusprig. Die Ranke scheint als illuminiertes Initial aus einem alten Buch entsprungen, zu schön zum Essen, zu köstlich zum Verweigern. Genau wie der folgende Gang, die bayrische Garnele aus Erding. Ein königliches Exemplar, köstlich bissfest, sous vide gegart, auf Belugalinsen gebettet, kontrastierende Kürbisvariation, pikant der helle Meerrettichschaum, herb die Sanddornperle. Auf der Karte liest es sich lapidar: Crusta Nova Garnele. Die Schreiberin zollt ihrem fünfmonatigen Leben Respekt, indem sie andächtig genießt.

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Respekt ist das Stichwort für die Produkte, die Maike Menzel in ihrer Küche verwendet. Saisonal immer. Selbstverständlich aus der Region, bayrischer Reis z. B. besteht aus einem Mix von Emmer, Einkorn und Dinkel. Die begünstigte Nähe zu Österreich und Schweiz erweitert das Angebot.

Das Ur- Lamm kommt aus dem Gutshof Polting. Lammrücken, Lammnacken. Die Güte und Frische schmeckt man, zarter und saftiger kann Fleisch nicht sein. Weil zum Produkt die Sorgfalt des Handwerkes kommt. Dazu ein umwerfendes weißes Bohnenpüree, fein gedünstet mit Speck und Zwiebel. Erneut ein Wow: Rustikal und erlesen zugleich. Warum kann ein Geschmack nicht nahtlos von der Zunge in Worte fließen? Mit Bohne, Birne, Speck ist diese vornehme Variante der großen Hamburger Schwester untertitelt.

Vor dem Dessert das Pre-Dessert. Als seien wir noch hungrig, tritt ein irdenes Schüsselchen auf, beinahe eine Schüssel voll  gereiftem Ziegenkäse der Käserei Baldauf. Eine Art Panna Cotta mit Heu aromatisiert, mit Peccorinoraspel, Aprikose, filigranen Schafgarbenblättchen, Brotchips. Knuspertextur gehört einfach dazu. Sehr fein und so kindheitsselig, dass man am runden Tisch die Arme aufstützen und in der Schale versinken möchte… Doch selbst die jugendliche Esslust des Freundes kommt an ihre Grenzen. Die Zeitgenossen irren, die Sterneküche überschaubar nennen. Junge bayrische Küche, fantasievoll, die weltweit berühmten Alleinstellungsspeisen werden verfeinert. Maike Menzel arbeitet gerne mit ein, zwei Produkten, die sie in verschiedene Aggregatzustände versetzt. Das macht die gesamte Komposition reizvoll.

Der Münchner Kaffee verspricht Entspannung. Allerdings entpuppt er sich als großartige Dessertszene aus Kaffeefantasien auf Hafercreme und Apfelvariationen. Köstlich. Die Kakaohippe ein augenzwinkerndes Zitat an Bayern? Dieses zierliche Geweih?  Die geheimnisvolle Kunst des Patissiers, die jeder anders interpretieren darf.

Der Weg zu einem eigenen Stern ist kein leichter, aber Maike Menzel geht ihn. Schritt für Schritt. Mit großer Lust.

Autor: Margret Buchner

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