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Restaurant des Monats Juli 2023

arrow left Werneckhof, München, Deutschland arrow right

Chef de Cuisine
Sigrid Schelling

Wo Schwabing am typischsten ist, liegt das Restaurant Werneckhof Sigi Schelling. In der ruhigen Werneckstr 11, schräg gegenüber vom Suresnes Schlössl.

Eine gute Adresse war der Werneckhof immer. Schon in den 70er Jahren, als der Restaurantboom bescheiden war. Ich erinnere mich, dass ich damals das erste Mal Austern gegessen habe.

Sigi Schelling, 1976 in Hittisau, AT geboren, hat das Kochen im Blut. Von klein auf. Nie wollte sie was anderes. Auf einem Bauernhof mit 5 Geschwistern aufgewachsen, war sie am liebsten in der Küche, die Geschwister haben alles, was sie produzierte, gegessen. Meine Frage nach einem Lieblingsgericht aus dieser Zeit erübrigt sich. Esssünden, die sie sich antun könnte - da schweigt Sigi, die gibt’s nicht. Es war alles gut und frisch. Das behält sie bei. Frisches Gemüse und die Kälber, mit Milch aufgezogen, vom brüderlichen Bauernhof. Bei diesem Hintergrund erübrigt sich die Frage nach Regionalität. Und in einer zeitgemäßen Küche wie der von Sigi Schelling ist Nachhaltigkeit ein durch Kindheit tradiertes Thema. Während des Lockdowns und verhinderter Restaurantbesuche, kommt mir der Neustart von Sigi Schelling gerade recht. Ich wollte es mir gönnen, einen redaktionellen Text über eine Sterneköchin zu schreiben. Bewusst eine Köchin.

Seit 2 Jahren wirkt sie im Werneckhof Sigi Schelling, das Restaurant klassisch-behaglich durch die alte Holztäfelung, weiß eingedeckte Tische, das Herz ist die großzügige Küche. 18 Mitarbeiter stehen ihr zur Seite. Ihr Werdegang ist so klar wie sie, so rasant wie sie, die leidenschaftliche Rennradfahrerin. Gelernt hat sie bei Thomas Scheucher, Guth, Vorarlberg, acht Jahre bei ihm auf verschiedenen Posten gearbeitet; frühe Praktika bei Hans Haas im Tantris lockten sie, die Stelle dort 2006 in München anzutreten. 14 Jahre hat sie alles bei ihm gelernt, was sie als Basis für ihren eigenen Stil braucht. Immer ausgehend von der französischen Küche. Das ursprüngliche Grundvertrauen, das sie bereits in ihrer Kindheit erfahren hatte, wurde durch den „Chef“ verstärkt. Er lehrte sie und ließ sie. Ein gutes Timing für sie nach seinem Berufsende, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Bewusst eine andere Location, eine räumliche Veränderung vom verehrten „Chef“? Eine leichte Aufgeregtheit erfasst mich, als ich Ende Mai Sigi Schelling über ihre Küche kennenlerne. Wir wählen den Mittagslunch. Im Interview muss Sigi Schelling nicht dozieren, sie muss nichts erklären. Sie wirkt erstaunlich entspannt. Absichten, Träume, Visionen, das alles steckt in ihren physischen Gängen. Sie ist durch und durch eine Praktikerin. Die sich gleichwertig den kleinen leichten Grüßen aus der Küche und den weiteren Gängen widmet.

Man sollte das winzige Entree, Makrele mit Rosinen geschlossenen Auges genießen, mit der Zunge taktieren, damit die Geschmacksknospen angeregt werden. Das gilt auch dem nächsten Vorläufer, einem perfekten Süppchen, Thunfisch mit Kaviarperlen, asiatisch mit Sesam und Erdnuss abgeschmeckt. Die Entenleberterrine, zart mit Haselnussstreuseln und Mango, leicht säuerlich, ein weiteres amuse geule. Mein Weinbegleiter ist der Tonschiefer Riesling, von der Kellerei Dönnhoff, den mir Xavier Didier, ein angenehm zurückhaltender Sommelier, empfohlen hat. Er schmeckt duftig und fruchtig, perfekt zum Lunch. Nachdem wir mehrmals wohlig aufgeseufzt haben nach den Grüßen aus der Küche, beginnt unser besonderes Menu. Hummer und Langustine, wie zufällig auf den Glasteller gezeichnet, begleitet vom marinierten Spargelstänglein, würzig durch Yuzu Ponzo, ein crisp. Danach brüstet sich fast üppig die Bachforelle. Rosa, auf einem grünweißen Spiegel, Erbsenpüree, garniert mit Kaviar und Fregola Sarda. Rund und köstlich. Der Gourmetlöffel mit der Kerbe, abgebildet im Logo, ist treffend gewählt, eine Insignie für die Saucenkönigin. Fast immer steht ein kleines Kännchen Sauce extra bereit. Man möchte es zum Trinken ansetzen. Der nächste Gang bretonischer Steinbutt. Ein Muss in der französischen Küche. Hans Haas hat ihn künstlerisch verewigt, sein Eröffnungsgeschenk an Sigi Schelling; eine Popart-Skulptur mit buntbemalten Steinbuttgräten auf dem Sprungrahmen einer Matratze, dominiert den hinteren Raum. Die Interpretation setzt mein Kopfkino frei. Unser Steinbutt, vor unseren Augen entgrätet, sehr fein auf dem weißen Teller mit Sepiaravioli, umamiwürzige Shiitake- Pilze und süßliche Zitronengrascreme. Ein wunderbarer Fischgang, ausgewogen abgerundet. Exklusiv tritt als letztem Hauptgang dieses Menus ein vornehm blassbraunes Huhn auf, in seiner ganzen Gestalt. Ich stutze, denn ich fühle mich angenehm gesättigt. Aber sie gefällt mir, die Hommage an das ganze Tier. Ich bitte um ein kleines Stück Brust und ergänze zögernd, weil ich so gern nage.

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Bei uns dürfen Sie alles, lächelt die Restaurantleiterin Anne Schatzl. Und bringt die Schenkelchen.

Ein rustikaler, gleichzeitig edler Gang, überraschend saftig die Brust, buttrig, cremig mit Biss das Erbsenrisotto, Spitzkohl, nur blanchiert, kurz geschwenkt in Butter, sehr pur, sehr fein. So „natur“ habe ich ihn nie gegessen. Über die Güte der Keulchen schweige ich; jeder „Nager“ kennt die geheimbündlerischen Feinheiten daran. Das bayrische Gockerl, mobiles fastfood im urbanen Raum, wird in seinen sonntäglichen Rang zurückgeholt, wie es Heinrich IV für seine Bauern forderte. Und wie es Sigi Schelling, Sterneköchin, humorvoll kocht und serviert. Beim Nachschmecken fällt mir auf, dass Sigi Schelling mit ihrer Küche einen Geschmack von Heimat vermittelt. Heimat als Ursprung. Heimat mit exklusiven Vorzeichen. Möglicherweise eines ihrer Stilmittel. Beim Dessert muss ich passen. Leichtfüßig kommt es daher, unter dem Titel Schokolade, ein haptisches Flanieren durch die Patisserie. Ja, unser Mittagslunch im Werneckhof Sigi Schelling war ein Spaziergang zu den guten Dingen des Lebens, hier und da ungezwungen goutierend, sich glücklich fühlend für kurze Zeit. Sigi Schelling ist eine wunderbar kreative Köchin, die unter Kochkunst das perfekte Handwerk mit den besten Produkten versteht, Appetit in allen Sinnen erweckt. Ihre Teller haben den Reiz des Ungefähren, sie erinnern mich an eine Art Tachismus in der Kunst. Die Präsentation illustriert den Geschmack, sie wird nicht zum musealen Selbstzweck. Angestupst durch den frisch vom Gaullt Millau gekürten Titel „Aufsteigerin des Jahres“ geht sie unbeirrt ihren Weg. Übrigens, ich hätte sie doch fragen sollen, was sie für sich allein am liebsten isst…

Autor: Margret Buchner

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