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Interview

Ralf Flinkenflügel: „Es geht nach Qualität, das ist das A und O“

Guide, Deutschland, Michelin

Der Direktor des Guide Michelin für Deutschland zum aktuellen Jahrgang, zu Trends, zur Entwicklung des grünen Sterns und zur Arbeit am neuen Guide Michelin für Österreich

Die Klänge der Abschlussmusik der Sterne-Zeremonie in der Hamburger Handelskammer waren noch nicht ganz verklungen, da konnten wir ein Interview mit dem Direktor der Guide-Michelin-Ausgaben für den deutschsprachigen Raum, Ralf Flinkenflügel, per Online-Schalte führen. 

Restaurant-Ranglisten.de:Die Sterne-Zeremonie ist vor wenigen Minuten zu Ende gegangen. Mein erster Eindruck: Es gibt überraschend wenige neue Zwei-Sterne-Restaurants und Sie haben viele neue Ein-Stern-Restaurants gefunden, die zumindest ich nicht auf dem Zettel hatte. Wie ist ihr Fazit der Testsaison für den Guide 2024?

Ralf Flinkenflügel: Wir sind eigentlich positiv überrascht. Viele Branchen haben hart gekämpft. Dazu gehören natürlich auch die Gastronomie. Inflation, Fachkräftemangel, schwächelnde Konjunktur, steigende Energiepreise, – dass wir wieder einen neuen Rekord an Sternen haben, ist in Anbetracht der Situation schon beachtlich.

RR:Unter den neu besternten Restaurants sind eine ganze Reihe, die erst vor wenigen Monaten eröffnet haben. In den vergangenen Jahren haben auch arrivierte Drei-Sterner den dritten Stern verloren. Ist der Michelin agiler geworden und reagiert schneller auf Entwicklungen in den Restaurants?

RF: Ich denke schon, dass das der richtige Weg ist. Wenn jemand eine sehr gute Küche bietet, dann macht es einfach keinen Sinn, da zwei, drei Jahre zu warten, um unseren Leserinnen und Lesern mitzuteilen: Hier ist jemand, hier ist ein Restaurant das besondere Beachtung verdient.

RR:Schauen Sie vor der Veröffentlichung auf die Gesamtliste, ob alles gut balanciert ist, regional, oder, was Männer und Frauen oder andere Faktoren angeht?

RF: Nein, unsere Kriterien richten sich nicht nach Regionen oder Listen. Es geht nach Qualität, das ist das A und O.

RR:Haben Sie bei Ihren Tests 2023 neue Trends und Entwicklungen festgestellt?

RF: Nach Trends werde ich schon seit 15 Jahren gefragt. Trends entwickeln sich schleichend. Nach wie vor besteht der Trend, dass es in den gehobenen Restaurants lockerer, legerer und entspannter zugeht. Außerdem ist der Punkt der Nachhaltigkeit auch ein Faktor, der da hineinspielt.

RR:Auf das Thema Nachhaltigkeit komme ich gleich noch einmal zurück. Ich stelle aber schon fest, dass die Zahl der selbständigen Köche mit Stern zunimmt. Das hat die Folge, dass das wirtschaftliche Risiko durch die hohen Kosten, die hochwertige Gastronomie bei Produkten und Personal mit sich bringt, gestaltet werden muss. Das geht manchmal auch mit Restriktionen für den Gast einher. Ein Menü ohne Tauschmöglichkeit, feste Anfangszeiten, möglicherweise ein Ticket-System usw. Stört Sie das, oder ginge es gar nicht anders, Qualität und Wirtschaftlichkeit miteinander zu vereinen?

RF: Wirtschaftlichkeit ist natürlich ganz wichtig. Dass viele, viele junge Köche den Mut haben, gerade in dieser Zeit, sich selbständig zu machen, dem muss man schon hohen Respekt zollen. Ich muss ganz ehrlich sagen, das ist schon ein gewagter Schritt. Einige gehen diesen Schritt und sind dabei auch sehr erfolgreich, wie man heute gesehen hat.

RR: Wie hat sich für Sie der ‚grüne Stern‘ entwickelt? Anfangs gab es ja durchaus Kritik, weil Sie sich an mancher Stelle auf die Angaben der Gastronomen verlassen müssen und anders als bei den traditionellen Sternen nicht nur die Qualität auf dem Teller bewerten können.

RF: Wir legen ziemlich strenge Maßstäbe an. Es gibt drei Schritte. Wenn wir ein Restaurant sehen, dass sich ganz besonders in dieser Richtung engagiert – wir sprechen da intern von Leuchttürmen –, bekommt es einen Fragebogen zugeschickt. Den werten wir daraufhin aus, welche Initiativen das Restaurant ergreift. Dann besuchen wir das Restaurant. Wichtig ist, dass das Personal entsprechend geschult wird und den Gästen vermittelt, was gemacht wird und welche Philosophie dahintersteckt. Schließlich führen wir ein persönliches Gespräch mit den Gastronomen, um nochmal mehr Hintergrundinformationen zu bekommen. Das ist nicht ganz so einfach, in der Kategorie aufgenommen zu werden. In den letzten zwei Jahren habe ich keine Kritik mehr an der Vorgehensweise gehört. Klar, wir können nicht kontrollieren, ob der Müll richtig getrennt wird, da muss man sich dann auch ein Stück weit auf die Ehrlichkeit der Gastronomen stützen. Aber als Gast bekommt man durchaus mit, ob ein Restaurant grün tickt, oder ob das nur eine vorgetäuschte Masche ist.

RR: Ihr Inspektorenteam steht in den nächsten Monaten vor der großen Aufgabe, auch wieder in ganz Österreich Restaurants zu testen. 2025 soll der Guide erscheinen. Wie ist der Stand der Dinge? Wie läuft das organisatorisch, denn es sind ja – nach den Vergleichsmaßstäben der anderen Guides – mehrere hundert Restaurants, die getestet werden müssen?

RF: Da freuen wir uns drauf! Wir sind seit einigen Wochen unterwegs. Ich war persönlich auch schon dort. Wir haben jetzt erste Eindrücke und die sind sehr positiv. Ich war in einer Region, da war ich zuletzt vor zehn Jahren und ich muss sagen: Sehr erstaunlich, was ich da erlebt habe. Aber diese Eindrücke müssen natürlich bestätigt werden. Wir haben personell nachbesetzt. Außerdem bekommen wir intensive Unterstützung von Inspektoren aus anderen Ländern, wie Frankreich, Großbritannien, oder Italien. Das klappt gut und wir sind guter Dinge.

RR: Wird sich die Mehrarbeit auf die Testintensität in Deutschland auswirken? Wird es schwerer, für neue Restaurants 2025 in den Guide zu kommen?

RF: Überhaupt nicht. Wir haben uns in den letzten drei, vier Jahren sehr verändert, was den internationalen Austausch von Inspektoren angeht. Es kommen Inspektoren selbst aus Japan, Südkorea, Nordamerika und aus ganz Europa. Wir tauschen uns aus. Das klappt wunderbar.

RR: Wir sprechen gerade, kurz nach der Zeremonie, per Teams-App miteinander. Die Köche feiern – Sie sind nicht mit dabei. Warum?

RF: Das ist nicht gewünscht, dass die Direktoren und Inspektoren in irgendeiner Art und Weise öffentlich auftreten. Klar, ich bin schon ein paar Jahre dabei, einige der Köche kennen mein Gesicht. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, es ist mir nie angenehm, wenn ich erkannt und mit Namen angesprochen werde. Das wollen wir einfach vermeiden.

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